Tactical Electronic Warfare System (TEWS)
Der Einmarsch Russlands in die Ukraine und die Annexion der Krim sowie die damit einhergehende massive und effektive Störung der ukrainischen Militärkommunikation und der Navigationssysteme machten es der Führung der U.S. Streitkräften sehr deutlich, wie wichtig die elektronische Kriegsführung auf der taktischen Ebene nach wie vor ist und das diese auch wieder stärker in den Fokus der eigenen Planungen rücken muss.
Nach dem Ende des kalten Kriegs und aufgrund der Einsätze auf dem Balkan, in Afghanistan oder im Irak geriet die elektronische Kriegsführung (Electronic Warfare / EW) bei den U.S. Streitkräften leider mehr und mehr in Vergessenheit, da man sich zunehmend auf die Eindämmung der allwährenden Gefahr durch Improvised Explosive Devices (IEDs) sowie das Abhören der Kommunikation der Aufständischen fokussierte. Als direkte Reaktion auf die IED Bedrohung beschaffte man über die Jahre mehr als 32.000 Störsender mit kurzer Reichweite, um beispielsweise über Funk ausgelöste Sprengfallen am Straßenrand zu stören. Die meisten dieser Störsender werden als Counter Radio-Controlled Electronic Warfare (CREW) AN/VLQ-12(V) 4 /(V)5 bzw. Duke V4/V5 bezeichnet.
Die primäre Aufgabe des Military Intelligence Corps in der Armee der Vereinigten Staaten ist es, zeitnahe, relevante, genaue und synchronisierte Aufklärungsergebnisse sowie elektronische Kriegsführungsunterstützung für die Kommandeure auf taktischer, operativer und strategischer Ebene zu liefern.
Von CREW zu TEWS
Spätestens seit dem Frühjahr 2014 zwang die bereits beschriebene veränderte geopolitische Lage die U.S. Streitkräfte sich wieder verstärkt mit der elektronischen Kriegsführung zu beschäftigen. Dank der Flexibilität moderner digitaler Elektronik war es möglich, das CREW System binnen kurzer Zeit für die elektronische Kriegsführung mit größerer Reichweite gegen eine größere Bandbreite von Zielen zu modifizieren. Mit verbesserter Software sowie neuen Antennen und Verstärkern wurde das nun als SRC AN/VRC-12(V)4/5 Sabre Fury bezeichnete System umgehend an die Truppe ausgeliefert. Als erste Einheit der U.S. Army erhielt das 2nd Cavalry Regiment „Dragoons“ in Vilseck diese neue Ausstattung. Parallel zur Einführung von Sabre Fury entwickelte man bereits eine noch leistungsstärkere Version des CREW Duke-Kernsystems und installierte dieses auf dem Mine Resistant Ambush Protected (MRAP) Vehicle vom Typ M1224 MaxxPro. Von diesem als Electronic Warfare Tactical Vehicle (EWTV) bezeichneten Fahrzeug wurden jedoch nur einige Prototypen für Testzwecke hergestellt. Nach umfangreichen Tests entschied sich die U.S. Army schließlich, nicht nur das CREW aufzurüsten, sondern auch eine völlig neue Technologie einzusetzen, die auf dem größeren und besser geschützten 8×8 Stryker Interim Armored Vehicle (IAV) adaptiert werden sollte. Dieses wird als Tactical Electronic Warfare System (TEWS) bezeichnet und von General Dynamics Mission Systems Inc. hergestellt. TEWS „bietet eine bessere Erkennung und elektronische Angriffsfähigkeit sowie automatische Signalverarbeitung, was die Belastung für den Bediener verringern wird“, sagte Colonel Mark Dotson, der Fähigkeitsmanager der U.S. Army für Electronic Warfare (EW), in einem Interview. Darüber hinaus verfügt TEWS auch über eine rudimentäre Fähigkeit, drahtlose Cyber-Attacken zu starten, so Dotson, und ist damit ein erster Schritt zur Integration von elektronischer und Cyber-Kriegsführung.
Beim Tactical Electronic Warfare System (TEWS) handelt es sich um ein spezielles Allwetter-, 24-Stunden-einsatzbereites, bodengestütztes taktisches elektronisches Unterstützungs- und elektronisches Angriffssystem, das dem Kommandeur eines Brigade Combat Teams die Möglichkeit bietet, den Gegner durch die Verkürzung der Zeitspanne zwischen der Aufklärung und der Bekämpfung durch eigene Wirkmittel in arge Bedrängnis zu bringen. Darüber hinaus ermöglicht es ihm den Feind frühzeitig zu erkennen, zu lokalisieren, zu identifizieren sowie elektronische Gegenmaßnahmen durchzuführen, mit Hilfe deren die Kommunikations-, Koordinations- und Synchronisationsfähigkeit des Feindes gestört oder sogar komplett unterbunden wird. Während die Wellenbereiche nicht bekannt gegeben wurden, decken diese mit ziemlicher Sicherheit Frequenzen von mindestens 30 MHz bis 6 GHz ab. Dies würde es dem TEWS erlauben Angriffe auf feindliche VHF- und UHF-Funkverbindungen vorzunehmen. Da es sich bei TEWS um ein plattformunabhängiges, modulares System handelt, kann dieses laut Herstellerangaben in verschiedenste Fahrzeuge integriert werden um stationäre, abgesessene oder bewegliche Operationen zu unterstützen. Die Mobilität und Modularität von TEWS ermöglicht es den damit ausgestatteten Einheiten, in umkämpften Umgebungen einfach zu schießen, sich zu bewegen und zu kommunizieren sowie sich darüber hinaus schnell neu zu positionieren, um vorteilhafte Positionen in sich entwickelnden taktischen Situationen zu schaffen. Jedes TEWS-System besteht unter anderem aus Antennen und Empfängern, Prozessoren sowie Hardware für elektronische Angriffe. Die TEWS-Verarbeitung umfasst eine Signalerkennungssoftware sowie die Integration von Intelligence Community (IC)-Signaldetektoren und Techniken für elektronische Angriffe.
Im Herbst 2020 erhielt das 2nd Cavalry Regiment „Dragoons“ die drei ersten TEWS, die auf nicht länger benötigten M1126 Stryker Infantry Carrier Vehicle (ICV) Fahrgestellen montiert wurden. Die Fahrzeuge gehören zum Intelligence and Electronic Warfare (IEW) Platoon des Military Intelligence Troop „Mavericks“. Neben dem IEW Platoon verfügt der Maverick Troop auch über ein Cyber Electromagnetic Activity (CEMA) Platoon, ein All Source Collection Element (ACE) sowie Human Intelligence (HUMINT) und Signal Intelligence (SIGINT) Platoons. Üblicherweise ist die Military Intelligence Company, die für die elektronische Kriegsführung eines Brigade Combat Teams verantwortlich ist, im Brigade Engineer Battalion (BEB) eingegliedert. Wie die Brigade Combat Teams und deren Military Intelligence Company auf dem Gefechtsfeld eingesetzt werden, hängt maßgeblich von der Bedrohung und dem Auftrag ab, den sie ausführen.
Am linken Heck der M1126 Stryker TEWS befindet sich eine auf einem ausfahrbaren Mast der Firma Will-Burt angebrachte domförmige High Power Omnidirectional Wideband Starfish Antenne sowie eine zusätzliche Stabantenne. Auf der Oberwanne sowie an der Fahrzeugfront sind weitere Antennen montiert. Zwei der drei Fahrzeuge waren augenscheinlich auch mit der Ausstattung Warfighter Information Network – Tactical (WIN-T) Increment 2 Soldier Network Extension (SNE) versehen, was an der halbkugelförmigen, in zwei Achsen stabilisierten, 18-Zoll Net-Centric Waveform (NCW) Satellitenfunkantenne zu erkennen ist. Die Soldier Network Extension bietet sowohl eine mobile als auch eine stationäre Netzwerkverbindung über die NCW-Satellitenkommunikation. Diese verbindet vom Fahrzeug abgesessene Soldaten mit dem WIN-T-Netzwerk über ihre herkömmlichen Combat-Net-Funkgeräte und bietet gleichzeitig Befehlshabern im oder in der Nähe des Fahrzeugs Zugriff auf das Wide Area Netzwerk. Darüber hinaus erweitert die Ausstattung das Netzwerk bis zur vordersten Position der Einheit und liefert dem Kompaniechef über große Entfernungen Situationsdaten in Echtzeit.
Von TEWS zu TLS
Nach gegenwärtigen Plänen soll das Terrestrial Layered System Brigade Combat Team (TLS-BCT) zukünftig das TEWS auf Basis des M1126 Stryker ICV, das TEW-Light (TEW-L) auf dem Flyer 72 Allradfahrzeug von General Dynamics sowie das AN/MLQ-44A Prophet Signal Intelligence (SIGINT) System ersetzen. Hierbei wird das AN/MLQ-44A zwar nicht mehr bei den aktiven Brigade Combat Teams der U.S. Army zum Einsatz kommen, sondern an Einheiten der Nationalgarde übergehen. Ebenso werden die TEWS/TEW-L Systeme aus den BCTs herausgelöst und an Einheiten der Reserve oder der Nationalgarde übergeben, die bislang über keine eigenen Systeme für die elektronische Kriegsführung verfügen.
Laut Colonel Finch, US Army Project Manager für elektronische Kriegsführung und Cyber Operationen, werden die Stryker Brigade Combat Teams zukünftig das TLS-BCT auf dem Fahrgestell des M1254 Stryker Medical Evacuation Vehicle Double V-Hull (MEVV) erhalten. Diese Fahrzeuge verfügen über die notwendigen elektrischen Systeme, um die TLS-BCT Ausstattung zu betreiben. Die Armored Brigade Combat Teams werden die TLC-BCT Ausstattung auf dem Armored Multi-Purpose Vehicle (AMPV) von BAE Systems bekommen. Das AMPV soll zukünftig die betagten M113 nach und nach ersetzen. Die ersten AMPV Serienfahrzeug liefen im September 2020 vom Band. Die Infantry Brigade Combat Teams sollen die TLS-BCT Ausstattung auf einer anderen Plattform erhalten, über die noch nicht entschieden wurde.
Auch zukünftig wird die U.S. Army kontinuierlich die Ausstattung und Fahrzeuge für die elektronische Kriegsführung der Brigade Combat Teams überarbeiten, um diese an die sich ändernden Bedrohungen und Bedürfnisse anzupassen. Neue Plattformen und Fähigkeiten werden nicht nur die Manövrierfähigkeit der Brigade Combat Teams im elektromagnetischen Spektrum verbessern, sondern auch die Konvergenz von elektronischer Kriegsführung und Cyber-Effekten untermauern.